18. November 2018

In den Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt in Sachsen bewegt sich was

Am 16. November 2018 fand im Sächsischen Landtag die Anhörung zur Drucksache 6/13900 „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 statt. Der BSBD Sachsen e. V. benannte auf Einladung zur Anhörung als Sachverständigen Mario Mauersberger, Fachgruppensprecher für die Gerichtsbarkeit innerhalb unseres Landesverbandes. Angehört wurde zum Änderungsantrag der Fraktion der Linken „Zur Änderung des Haushaltstitels zur Gewährung der Gitterzulage* für die Justizwachtmeister im Vorführ-, Sicherheits- und Ordnungsdienst.“ (*Stellenzulage Justizvollzug) mit der Begründung, „dass aufgrund der stark zugenommenen und weiter zunehmenden Arbeitsbelastung von Justizwachtmeistern im Vorführ-, Sitzungs- und Ordnungsdienst bei den Gerichten, und der in diesem Zusammenhang wichtigen Aufgabe der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, die Gewährung einer „Gitterzulage“ dringend geboten ist. Die Zahlung der „Gitterzulage wäre zugleich ein Zeichen der Wertschätzung für den betreffenden Bediensteten sowie ein finanzieller Anreiz für die erforderliche Nachwuchsgewinnung.“

Dem Antrag vorausgegangen war ein Gespräch der Landesleitung vertreten durch Silke Völker-Eckert und René Selle mit der Fraktion der Linken im Sächsischen Landtag. Hier konnte neben anderen wichtigen Themen, wie z. B. die Gewährung des Anwärtersonderzuschlages, der Umsetzung von noch immer fehlenden Stellenhebungen im Justizvollzug und der Durchlässigkeit der Laufbahnen für eine aufgabenorientierte Bezahlung  eben auch die Gewährung der Stellenzulage Justizvollzug für unsere Gerichtswachtmeister angesprochen werden.

Gleichzeitig konnte in der anschließenden Befragung durch die Abgeordneten des Haushalts- und Finanzausschusses eine Ruhegehaltsfähigkeit der Stellenzulage Justizvollzug (ein langjähriges Ziel des BSBD Sachsen) für die betreffenden Beamten/innen erneut angeregt werden. Entsprechende Anträge der Fraktionen CDU und SPD hierzu sowie zur Anpassung der Zulage für den Dienst zu wechselnden Zeiten liegen wohl vor.

Der BSBD Sachsen begrüßt die Initiative der sächsischen Fraktionen eine leistungsorientierte Bezahlung für unsere Kolleginnen Kollegen zu gewährleisten. Diese ist seit langem überfällig. Hoffentlich werden die Anträge sich auch im Haushalt wiederfinden.

Um euch einen Überblick über unsere fortlaufende Arbeit zu ermöglichen, drucken wir hier den Redebeitrag von Mario Mauersberger ab, gleichzeitig wurden den Abgeordneten des Sächsischen Landtag noch 11 Seiten erläuternde Anlagen übergeben.

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrter Herr Staatsminister

ich bedanke mich vielmals für die Möglichkeit heute bei Ihnen sprechen zu dürfen.

Mein Name ist Mario Mauersberger, ich bin 47 Jahre alt und ich wurde vor nunmehr über 23 Jahren als Justizwachtmeister hier in Sachsen eingestellt. Derzeit vertrete ich als Bezirkspersonalrat im Vorstand hauptamtlich die Interessen aller Bediensteten innerhalb der Ordentlichen Gerichtsbarkeit, also der Bediensteten beim Oberlandesgericht Dresden und der Land- und Amtsgerichte hier in Sachsen.

Die Aufgabengebiete der Justizwachtmeister haben sich in den letzten Jahren massiv von dem eines Verwaltungsbeamten der 80iger Jahre, zu dem eines Vollzugsbeamten der nach dem Strafvollzugs- bzw. Polizeigesetz arbeitet, verschoben.

Die Wertigkeit, die Gefahren und nicht zuletzt der Umfang von Strafverfahren hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, unter anderem auch durch die Vielzahl der Angeklagten in einzelnen Großverfahren und der nun hinzugekommenen Staatsschutzverfahren.

Die Justizwachtmeister der Sächsischen Gerichte erfüllen täglich die Aufgaben, nach der historisch gewachsenen Definition der Gitterzulage des Bundesbesoldungsgesetzes. Die Grundlage für die Zahlung der Stellenzulage ist in Sachsen der § 51 SächsBesG und der

§ 19a TV-L.

-        Sie erledigen ihren Dienst in abgeschlossenen Räumen und hinter Gittern,

Haftbereiche/Verwahrräume der Gerichte und Staatsanwaltschaften erfüllen dieses Kriterium, da sie als besonders gesicherte Bereiche nicht dem normalen Bürobetrieb gleichzusetzen sind.

-        Sie haben ständigen Umgang mit Personen die gegen ihren Willen festgehalten werden. Auch dieses Kriterium erfüllen sie.

Beispielgebend seien die Vorführungen der Untersuchungs- und Strafgefangenen zu Gerichtsverfahren, die Beaufsichtigungen von Straf- und Untersuchungsgefangenen oder die Vollstreckung von Haftbefehlen nach dem Sächsischen Polizeigesetz oder die in Gewahrsamnahme zum Zwecke der  Unterbringung genannt.

-        Diese Personen befinden sich in einer Ausnahmesituation.

Durch Urteile, welche die gesamte weitere Existenz betreffen, von einem erwarteten Freispruch, über langjährige Haftstrafen bis zur Sicherheitsverwahrung oder der Entziehung eines Kindes, aber auch durch das Aufeinandertreffen von Tätern und Opfern und der detaillierten Tataufarbeitung in einer Gerichtsverhandlung wird dieses Kriterium  mehr als erfüllt.

-        Justizwachtmeister sind zur fortlaufenden Wachsamkeit angehalten.

Durch das Zusammentreffen von/mit Sympathisanten/Opfern/Tätern/rivalisierenden Gruppen wird dieses Kriterium ebenso erfüllt. Es gibt meist keine Trennung von Zuschauerraum und Anklagebank oder eine schützende Mauer, welche eine plötzliche Flucht verhindern könnte.

Der Zugang  in sächsische Gerichtssäle ist für jedermann frei, dass ist gut so und muss auch so bleiben.

-        In Ausnahmesituationen besteht die Gefahr für Leib und Leben, wenn sie Flucht- oder Befreiungsversuche verhindern müssen.

In Gerichten besteht - ebenso wie bei Ausführungen im Justizvollzug - ein erhöhter Fluchtanreiz, denn es gibt keine fluchtverhindernde Gefängnismauer und kein Schleusensystem.

Justizwachtmeister haben meist keine Vorkenntnisse über die vorzuführenden Gefangenen oder zu verhaftenden Personen. In Gerichtsverhandlungen erfolgt in der Regel keine Fesselung, es gibt keine separaten Laufwege für Angeklagte oder bereits Verurteilte in sächsischen Gerichtsgebäuden, Justizwachtmeister haben ein erhöhtes Ansteckungsrisiko u.a. durch chronisch mehrfachgeschädigte und oft auch drogenabhängige Angeklagte/Zeugen und deren direkte Fesselung an einen Bediensteten, bei 5cm bis 10cm Abstand zu diesem .

-        Justizwachtmeister müssen Gewalt und Übergriffe verhindern.

Dies ist regelmäßig der Fall u.a. durch die verminderte Schuld- und Einsichtsfähigkeit bei Drogenmissbrauch, den dadurch einhergehenden Suchtdruck, beim Zusammentreffen von Tätern/Opfern/Geschädigten, in emotionalen Ausnahmesituationen wie bei Scheidungen, Kindesentzug oder durch den Verlust eines nahen Angehörigen sowie bei polarisierenden Straftaten.

Dies ist aber auch bei alltäglichen Aufgaben, wie bei der Beschlagnahmung von Waffen oder gefährlichen Gegenständen der Fall.

-        Justizwachtmeister sind auch im privaten Bereich Anfeindungen ausgesetzt.

Justizwachtmeister im Vorführ-/Sitzungs- und Ordnungsdienst haben täglich Umgang mit Straftätern bzw. straffällig gewordenen, gewaltbereiten Personen und müssen teilweise gegen diese auch körperlich vorgehen.

Sie müssen u.a. auch das Fotografieren, Filmen und Veröffentlichen von Bildnissen ihrer Person in Gerichtsverfahren hinnehmen, da es sich bei Gerichtsverfahren um "Bildnisse der Zeitgeschichte" handelt und hier ein abgestuftes Schutzkonzept anzuwenden ist.

Hier werden die Persönlichkeitsrechte – das Recht am eigenen Bild - von Justizwachtmeistern eingeschränkt.

Sie sind somit nicht mehr anonym und arbeiten standortbezogen in ihrem Gericht..

Justizwachtmeister haben ständig Umgang mit nicht rechtstreuen, gewaltbereiten, vermindert einsichtsfähigen und/oder drogenabhängigen Personen und müssen bei Bedarf gegen diese mittels unmittelbarem Zwang vorgehen, Verhaftungen durchführen und Hausverbote durchsetzen. Sie müssen Gefangene aus der organisierten Kriminalität, Terroristen und gewaltbereite Gefangene/Dritte sichern. 

Ziel bzw. Zwecksetzung der Zahlung ist es, die vorgenannten Erschwernisse auszugleichen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es aber auch, wenn andere Bedienstete in abgeschlossenen Vorführbereichen in sächsischen Gerichten die sogenannte Gitterzulage erhalten, Justizwachtmeister nicht auszunehmen. 

Die Gitterzulage wird Justizwachtmeistern bereits in vielen Bundesländern gewährt:

Dies ist unter anderem der Fall in Baden Württemberg (1990);  NRW( 1990); dem Saarland (2001); Bremen (2010); Bayern; Berlin usw.

Stellvertretend sei auf die Definition des Saarlandes verwiesen und deren fürsorgliche Ausreichung durch den dortigen Dienstherrn.

„Durch die Zahlung der Gitterzulage könnte das tatsächlich bestehende Risiko und die herausgehobene Tätigkeit des Vorführpersonals der Gerichte gewürdigt und wertgeschätzt werden. Zudem könnten durch den finanziellen Anreiz auch in Zukunft wieder weitere geeignete Bedienstete für diese wichtige Tätigkeit gewonnen werden.“

Unsere Bürgerinnen und Bürger in Sachsen erwarten zu Recht, dass sie in den staatlichen Institutionen wie den Gerichten ohne Angst vor Übergriffen ihre Aussagen tätigen oder ihre berechtigten Ansprüche durchsetzen können. Dies geht jedoch nur, wenn wir in Zukunft auch geeignetes Personal gewinnen und finanzielle Anreize setzen.

Die Realität sieht derzeit leider etwas anders aus.

Justizwachtmeister haben derzeit ein Einstellungsamt A4, eine tatsächlich niedrigere Besoldung einer anderen Beamtengruppe ist mir nicht bekannt.

Sie  erhalten dazu eine Amtszulage in Höhe von 74,02 € nach Anlage 7 des Sächsischen Besoldungsgesetzes.

Diese wird bei leistungsstarken Beamten, welche durch die Übernahme von höherwertigen und Zusatzaufgaben eine  Beförderung nach A6 erreichen auch noch hälftig auf  40,12 € gekürzt.

Dies widerspricht dem Leistungsprinzip und den althergebrachten Grundsätzen des Beamtentums.

Das hat zur Folge, dass bei der Beförderung eines Beamten in der Erfahrungsstufe 7 (nach zirka 15 bis 17 Dienstjahren), diese Beförderung ohne nennenswerten finanziellen Zuwachs bleibt.

Ebenso liegt bei der  Erfahrungsstufe 7, wie gesagt nach 15 bis 17 Dienstjahren,  der finanzielle Zugewinn bei einer Beförderung von einem Justizhauptwachtmeister (A4) zum Ersten Justizhauptwachtmeister (A5) bei 2,76 € brutto!!!

Die Stufe 7 ist die letzte untereinander vergleichbare Erfahrungsstufe innerhalb der derzeitigen  Beförderungsmöglichkeiten eines Justizwachtmeisters

Ergänzend sei erwähnt, dass auch von Justizwachtmeistern - unabhängig von der Höhe ihrer Besoldung -  die private Krankenversicherung von ihren  Nettobezügen finanziert werden muss, da der Beamte beim Verbleib in  einer gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich auch noch die Arbeitgeberanteile selbst tragen müsste.

Justizwachtmeister müssen loyal sein, sie tragen Waffen, arbeiten täglich nach dem sächsischen Polizei- und Strafvollzugsgesetz in und außerhalb der Gerichtsgebäude.Sie müssen in Gefahrensituationen und in Notfällen unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens An- und Übergriffe verhindern, jede Art von Straftätern vorführen und für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger in und außerhalb der Justizgebäude sorgen.


Nach der Dienstrechtsreform im Dezember 2013 sollte wie auch  in anderen Bundesländern bereits möglich - ein Durchstieg in die Ämter der Einstiegsebene 2 nach A7, A8, A9 möglich werden. Also eine Laufbahngruppe 1 mit lediglich verschiedenen Einstiegsebenen.

Beispielhaft seien hier Bayern, das Saarland, Baden Württemberg, Hessen, Niedersachsen usw. genannt. In Bayern werden Justizwachtmeister bereits sogar bis A9 befördert.

Für sächsische Justizwachtmeister gibt es bisher weder Stellen oberhalb der A6, noch festgelegte Voraussetzungen dafür.

Ein Personalentwicklungs- oder Beförderungskonzept fehlt gänzlich.

Für den übergroßen Anteil der Justizwachtmeister, welche ihre reguläre und für unser Rechtssystem immens wichtige Aufgabe, den Vorführ- Sicherheits- und Ordnungsdienst erfüllen, ist zudem innerhalb ihres Berufslebens von über 40 Dienstjahren derzeit nur eine einzige Beförderung nach A5 möglich.

Ich bitte Sie daher, sehr geehrte Abgeordnete, beenden sie diese Ungleichbehandlung und zahlen sie diese Sonderzulage auch an ihre Sächsischen Justizwachtmeister oder hilfsweise, heben Sie die Amtszulage der Justizwachtmeister auf das Niveau der sogenannten Gitter-,  Polizeivollzugs- und Steuerfahndungsdienstzulage.

Die bisher angewandten Grundsätze - der überwiegenden Tätigkeit (80%) der täglichen Arbeit in einem Bereich -  verhindern dies, auch wenn TVL und das Sächsische Besoldungsgesetz diese Möglichkeit ausdrücklich vorsehen.

Justizwachtmeister arbeiten nach dem Sächsischen Strafvollzugsgesetz und nach dem Sächsischen Polizeigesetz, so dass sie – wenn wir flexible Beamte in diesem Bereich wollen – nur auf zirka 60 % Vorführdienst kommen und den anderen Teil ihrer Arbeit verrichten sie nach dem Sächsischen Polizeigesetz.

Derzeit erhält kein Justizwachtmeister diese Zulage, das kann so nicht gewollt sein.

Im Interesse einer auch in Zukunft gesicherten Personalgewinnung bitte ich Sie, diesen Schritt zu gehen und damit ein Zeichen der Wertschätzung zu setzen.

Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse und freue mich gleichzeitig auf Ihre Fragen.“

 

Mario Mauersberger